Ökosysteme
Der Begriff «Ökosysteme» wird seit anfangs der 90er Jahre in den Wirtschaftswissenschaften mehr oder weniger intensiv diskutiert. Besonders in der letzten Zeit haben Ökosysteme aber ein neues Ausmass an Aufmerksamkeit aus der Wirtschaft und Forschung erhalten. Denn was vor knapp 30 Jahren in diesem Ausmass noch nicht absehbar war, ist der heutige Stand der Digitalisierung.
Diese hat die Koordinationskosten innerhalb und zwischen Unternehmen drastisch gesenkt und vereinfacht. Zur selben Zeit hat die Digitalisierung aber auch dazu geführt, dass die Erstellung von Wertangeboten anspruchsvoller geworden ist. Ein tolles Produkt oder eine tolle Dienstleistung an sich ist kein Garant mehr für wirtschaftlichen Erfolg. Unternehmen müssen aktuell immer mehr über ihre Komfortzone bzw. ihr Kernbusiness hinausgehen, um Kundenbedürfnisse zeitgemäss abdecken zu können.
Schlagen Unternehmen neue Wege aber allein ein, dann ist dies häufig mit der Investition von viel Lehrgeld verbunden. Es scheint deshalb nicht erstaunlich, dass sich Unternehmen nach Alternativen zu einem ressourcenintensiven Alleingang umschauen. Genau da kommen Ökosysteme ins Spiel.
Inhalt
Was wird unter einem Ökosystem verstanden?
Von der Biologie auf die Wirtschaft übertragen, wurde der Begriff «Ökosystem» von James F. Moore. 1993 beschrieb er als Erster, wie unterschiedliche Unternehmen in einem Ökosystem ihre individuellen Fähigkeiten zusammenbringen, um eine gemeinsame Innovation zu entwickeln. Das Ziel der Unternehmen? – Kundenbedürfnisse besser befriedigen zu können und die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Würden sie dies nicht oder nicht erfolgreich tun, dann blühe ihnen laut James F. Moore ein ähnliches Schicksal wie Tierarten, die sich nicht an verändernde Lebensumstände anpassen können. Sie werden immer weniger oder verschwinden sogar ganz. Spätere Definitionen haben Ökosysteme teilweise rein auf das Merkmal der gegenseitigen Interdependenz reduziert. Die praktische Anwendbarkeit dieser stark vereinfachten Art von Definition? – Eher fraglich.
Aus unserer Perspektive liegt die Lösung in der Mitte. Ein Ökosystem ist klar mehr als ein reines Netz bilateraler Beziehungen. Man sollte auf keinen Fall von einem Ökosystem sprechen, wenn ein einzelnes Unternehmen Leistungen bei einem anderen Unternehmen bezieht und diese in ihre Angebote einbaut oder damit verbindet. Das entspricht dem normalen Verlauf einer Wertschöpfungskette.
Im Gegensatz dazu steht die Hoffnung ein innovatives Wertversprechen gegenüber bestehenden und neuen Kunden erfüllen zu können. Diese Hoffnung vereint unterschiedliche Unternehmen unter einer gemeinsamen Vision als ein Ökosystem.
Ökosysteme bringen mehrere Unternehmen mit unterschiedlichen Skillsets zusammen. Was dem einen Unternehmen fehlt, bringt ein anderes mit und umgekehrt. Dabei ist es grundsätzlich egal wie gross oder klein, jung oder etabliert, bekannt oder fremd ein Unternehmen ist. Was zählt sind seine Fähigkeiten und die Relevanz dieser Fähigkeiten für das Ökosystem.
Dafür werden die Produkte und Dienstleistungen der einzelnen Akteure aufeinander abgestimmt, weiterentwickelt und ein gemeinsames Leistungsangebot ausgearbeitet. Es entsteht ein einzigartiges, oft innovatives Produkt oder Dienstleistung. Dieses zeichnet sich genau dadurch aus, dass die Beiträge von allen beteiligten Unternehmen auf eine neue Art und Weise kombiniert und angepasst wurden.
Die Koordination innerhalb des Ökosystems ermöglicht es dem System als Ganzes, komplexe Kundenbedürfnisse zu bedienen, die ein Unternehmen allein nicht hätte erfüllen können. Vom erhofften Erfolg profitieren sollen alle – Kunden sowie jeder beteiligte Akteur des Ökosystems.
Checkliste
Prüfen Sie mit unserer Ökosystem Checkliste, ob Ihr Unternehmen bereits Teil eines Ökosystems ist:
- Sie arbeiten mit mehr als zwei Unternehmen zusammen?
- Sie haben eine gemeinsame Vision?
- Sie kombinieren bestehende Produkte & Dienstleistungen Ihrer Unternehmen zu einem neuen, geteilten Leistungsangebot?
Konnten Sie überall mit «Ja» antworten, dann ist Ihr Unternehmen mit aller Wahrscheinlichkeit Teil eines Ökosystems.
Was sind die Vorteile von Ökosystemen?
In der heutigen Zeit wird nur noch wahrgenommen, wer auch wirklich relevant ist aus Kundenperspektive. Mit einem gemeinsamen Leistungsangebot können alle beteiligten Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen profitieren. Für einen etablierten Branchenplayer kann die Zusammenarbeit mit einem jungen Start-up der erhoffte Jungbrunnen innovativer Ideen sein, umgekehrt erhält das Start-up ein gewisses Gewicht, um am Markt ernstgenommen zu werden, und ein dritter Partner kann mit der Nutzung seiner Technologie vielleicht einen use case bauen, der weitere Kunden anlockt. Dies ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten.
Deshalb erstaunt es nicht, wenn eine Studie von EY zum Schluss kommt, dass 75 Prozent des Wertes eines Ökosystems aus den Kundenbeziehungen dieses Systems bestehen. Neben der Erweiterung der Kundenbasis bieten Ökosysteme zwei weitere grosse Vorteile mit entscheidendem Nutzen für Unternehmen. Mit dem Erstellen eines neuen Produkts oder einer neuen Dienstleistung, geht immer ein gewisses Risiko einher am Kundenbedürfnis vorbeizuschiessen. In einem Ökosystem können einerseits Investitionen und andererseits das damit verbundene Risiko unter den Ökosystempartner aufgeteilt werden. Keiner der Akteure trägt so viele Kosten oder so viel Risiko für das gleiche Ergebnis, wie er es alleine hätte müssen. Grosse Unternehmen, welche die Ressourcen haben, sich an mehreren Ökosystemen zu beteiligen, können diesen Umstand zu einem strategischen Vorteil machen. Durch die bewusste Teilnahme an verschiedenen Ökosystemen können sie ihr Risiko weiter diversifizieren. Sollte sich ein Ökosystem als Flop erweisen, kann ein anderes immer noch Top sein.
Zur Zusammenfassung, die drei grossen Vorteile von Ökosystemen sind:
- Erweiterung der Kundenbasis
- Reduzierung des Risikos
- Reduzierung der Investitionen