Welche Konsequenzen hat der Mangel in der Hausarztmedizin?

In unserem letzten Blog-Beitrag konnten Sie lesen, dass die Schweiz mit einer zunehmend schwierigen Situation in der medizinischen Grundversorgung konfrontiert ist: Es fehlt an Hausärzt:innen und bereits heute sind zwischen 15-22% der Praktizierenden eigentlich schon im Pensionsalter.

Welche Folgen hat dieser Mangel aus Sicht der Patient:innen, der Spitäler und des medizinischen Fachpersonals? Diesen Fragen widmen wir uns in diesem Blogbeitrag.

Welche Folgen hat dieser Mangel für die Patient:innen?

Für Patient:innen bietet der Hausarzt oder die Hausärztin des Vertrauens die Anlaufstelle für medizinische Fragen aller Art. Sie helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und bieten eine kontinuierliche Betreuung der Patient:innen über Jahre hinweg. Nun spüren die Patient:innen in der Schweiz die Folgen des Hausärztemangels am eigenen Leib: Längere Wartezeiten und Aufnahmestopps bei Primärversorgern sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Gerade in ländlichen Regionen ist der Zugang zur medizinischen Grundversorgung immer schwieriger.

Der (fehlende) Zugang zur Primärversorgung wirkt sich direkt auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. So haben Forschende festgestellt: Die Präsenz von Hausärzt:innen hat einen direkten Einfluss auf die Lebenserwartung der lokalen Bevölkerung. Wenn pro 100 000 Einwohner:innen zehn zusätzliche Hausärzt:innen tätig werden, reduziert sich die Sterblichkeitsrate um 0.9 bis 1.4 Prozent bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebsfällen und die Lebenserwartung steigt um sieben Wochen [1].

Angesichts dieser Umstände sehen sich viele Betroffene gezwungen, spezialisierte und damit im Vergleich zur Hausarztmedizin teurere medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dies führt nicht nur zu einer zusätzlichen Belastung der Gesundheitsinfrastruktur, sondern auch zu einem finanziellen Druck auf die Gesundheitssysteme – eine Herausforderung mit weitreichenden sozioökonomischen Folgen.

Welche Auswirkungen hat dieser Mangel auf die Spitäler und das medizinische Personal?

Mit immer weniger Hausärzt:innen strömen die Patient:innen verstärkt in Spitäler. Dies führt dazu, dass die Notaufnahmen mit eher leichteren Fällen überlaufen werden und weniger Ressourcen für komplexe, dringende Fälle frei haben. Dies wird unter anderem auch auf der finanziellen Ebene spürbar.

Diese spürbare Mehrbelastung des bestehenden Personals führt zur Gefahr einer erhöhten Fehleranfälligkeit und dadurch Reduktion in der Versorgungsqualität. Zudem wirkt sich dies auch auf die Gesundheit des medizinischen Personals aus, mit steigenden Fehlzeiten und einem vermehrten Ausscheiden aus dem Beruf. So denkt jede zehnte Ärztin bzw. Arzt darüber nach, die Arbeit am Patienten aufzugeben, und fast ein Drittel der Medizinstudierenden will aufgrund der erwarteten Arbeitsbelastung nicht in den Beruf einsteigen [2].

Was nun?

Der spürbare Mangel an Hausärzt:innen in der Schweiz ist ein Warnsignal mit weitreichenden Konsequenzen. Er ist ein dringender Aufruf zum Handeln, der sich an die Politik, die Gesundheitsinstitutionen und die Gesellschaft richtet.

Mit welchen Massnahmen kann diesen Herausforderungen effektiv entgegengewirkt werden? Lesen Sie dazu in unserem nächsten Blogbeitrag.

Quellen
[1] More primary care physicians leads to longer life spans, abgerufen am 06.03.2024 unter https://med.stanford.edu/news/all-news/2019/02/more-primary-care-physicians-lead-to-longer-life-spans.html
[2] 55-Stunden-Woche: Damit muss den künftigen Ärztinnen niemand mehr kommen, abgerufen am 06.03.2024 unter https://www.nzz.ch/schweiz/55-stunden-woche-damit-muss-den-kuenftigen-aerztinnen-und-aerzten-niemand-kommen-ld.1768569