«Ambulant vor stationär» beschäftigt die Akteure im Gesundheitsmarkt und stellt sie vor zahlreiche Herausforderungen. Nicht nur Spitäler und Kliniken, auch Versicherungen müssen umdenken. Bisherige Lösungen im Bereich der Zusatzversicherungen werden zum Auslaufmodell und geben Platz für das, wofür lange niemand Interesse gezeigt hat: ambulante Zusatzleistungen. 

Die Ambulantisierung im Schweizer Gesundheitswesen nimmt langsam, aber sicher Fahrt auf. Der medizintechnische Fortschritt sowie die finanziellen Anreize im Tarifsystem SwissDRG führen zu einer generellen Reduktion der Aufenthaltsdauer im Spital. Zwar lässt die Alterung der Bevölkerung tendenziell den Bedarf für stationäre Behandlungen steigen, doch innovative Lösungen im Bereich smart living oder hospital@home sind auf dem Vormarsch. Nicht zuletzt steigt mit dem Wiederaufleben der EFAS-Vorlage (einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen) und dem Fingerzeig auf die VVG Tarife der politische Druck mit den Veränderungen im Gesundheitssystem Schritt zu halten. 

Prävention und Gesundheitsförderung sind beliebt

Damit stehen die in der Schweiz beliebten Zusatzversicherungen also nun vor der Herausforderung die Attraktivität ihrer Produktlandschaft grundlegend zu prüfen. Gemäss einer aktuellen Umfrage bei den Krankenversicherungen sind vor allem Produkte beliebt, die Prävention und Gesundheitsförderung unterstützen. Konkrete Angebote für ambulant durchgeführte Zusatzleistungen existieren nur vereinzelt. Gleichzeitig hat im Verlauf der letzten Jahre die Nachfrage nach unkonventionellen Lösungen (z.B. Flex-Modelle), sowie der Anteil der Selbstzahler stark zugenommen. Wenig verwunderlich, denn mit dem steigenden Bedürfnis nach Flexibilität und Transparenz ist der Kunde nur für tatsächlichen Mehrwert bereit auch mehr zu bezahlen. 

Aus Spitalsicht sind folgende Herausforderungen zu erkennen:

  • Der Anteil der Zusatzversicherten in der Gesamtbevölkerung nimmt seit Jahren ab.
  • Die stationären Zusatzleistungen sind zwar gut etabliert, aber dennoch stehen sie unter Druck, da die Vergütungen in Zukunft weniger üppig ausfallen werden. Ambulante Leistungen sind nicht so attraktiv wie stationäre. 
  • AVOS führt zu mehr ambulanten operativen Eingriffen und damit steigt die Auslastung der ambulanten Operationszentren. Seitens Spitäler werden hier attraktive Lösungen für Zusatzleistungen benötigt. Aufgrund der aktuell noch eingeschränkten ambulanten Zusatzversicherungsangeboten bzw. Versicherungslösungen und einer damit einhergehenden tiefen Marktdurchdringung, ist deren Vermarktung nicht zuletzt auch bei den Selbstzahlern attraktiv. 

Welche Lösungsansätze gibt es?

Verschiedene Versicherer prüfen zurzeit mögliche Ansatzpunkte zur Problemlösung. Einige haben bereits zaghafte Gehversuche gewagt und erste Spitalzusatzversicherungen für ambulante Eingriffe lanciert. Diese beinhalten im Wesentlichen die freie Arzt- und Terminwahl bei ambulanten Eingriffen, Privatsphäre durch eine separate Erholungszone im Spital oder eine anschliessende Taxifahrt nach Hause. Entsprechend vielfältig sind die noch nicht abgedeckten Touchpoints und ungenutzte Möglichkeiten für individuelle Lösungen im ambulanten Leistungsbereich. Dieses Potential gilt es, für einen Wettbewerbsvorteil und mehr Marktanteil, so schnell wie möglich auszunutzen, im Sinne von «De Schneller isch de Gschwinder».

Das Ziel sind Win-Win-Win-Lösungen: Spitäler, Versicherer und Kunden sollen einen signifikanten, quantifizierbaren Mehrwert mit einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis erhalten. Eine nachhaltig erfolgreiche Veränderung kann also nur im Dialog zwischen allen Akteuren im Gesundheitswesen erfolgen. Denn gemeinsam lassen sich die Marktbedürfnisse von heute und der Zukunft zuverlässiger antizipieren. Ein wichtiger Schritt in Richtung Ökosystem. 

 

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ambulantisierung voranschreitet, sich mit ihr die Bedürfnisse im Markt verändern und der Anpassungsdruck auf alle Akteure im Gesundheitswesen steigt. Das aktuelle Marktgeschehen bietet viel Erfolgspotential für das bisherige Aschenputtel im Schweizer Gesundheitswesen. Doch dafür muss es gelingen, die Perspektive aller zu vereinbaren.

Die Frage bleibt, wann der Zeitpunkt gekommen ist und der Prinz mit dem passenden Schuh angeritten kommt.