Wo sehen Sie 2023 die grössten strategischen Herausforderungen in Ihrer Branche und Ihrem Unternehmen?

Die strategischen Herausforderungen gehen für mich weit über das Jahr 2023 hinaus, zumal sie im laufenden Jahr sicherlich nicht gelöst werden können. Um mich auf drei Themen zu fokussieren, sehe ich zunächst die Herausforderung, wie die für uns alle spürbare Teuerung im Finanzierungssystem berücksichtigt werden kann. Einen Automatismus gibt es nicht und die Schere zwischen Kosten (auch Tarifsteigerungen im Personalbereich) und Erlösen wird sicher auch in diesem Jahr weiter auseinandergehen. Allein hier stellt sich schon die Frage, ob die Ergebnislücken auch rückwirkend kompensiert werden können. Andernfalls wird diese kumulierte Lücke auch die nächsten Jahre dauerhaft auf uns lasten.

Vor diesem Hintergrund sind Bauvorhaben, verbunden mit schon derzeit teils erfolgten Impairment Verfahren, welche die finanzielle Tragfähigkeit neben dem bereits genannten Effekt belasten, zusätzliche Herausforderungen für uns alle. Hinzu kommen signifikante Investitionen im Bereich der Digitalisierung.

Deutschland unternimmt gerade den Versuch, in einer grossen Reform die Versorgungsplanung über die Grenzen der einzelnen Bundesländer hinweg zu steuern. Dies wird zu massiven Veränderungen in den bisherigen Strukturen von ambulanter und stationärer Versorgung führen, ist aber aus Versorgungs- sowie volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Für die Schweiz drängt sich aus meiner Sicht dieselbe Frage auf. Zumal wir vor dem Hintergrund des erst beginnenden Fachkräftemangels gezwungen sein werden, unsere Ressourcen in notwendige, sinnvolle und auch nachhaltige Strukturen zu investieren.

Bezogen auf unser Haus sind die genannten Themen auch die, welche uns in unserer weiteren Entwicklung massiv beschäftigen

 

Daniel Gebhard, Leiter Unternehmensentwicklung Universitätsspital Basel

 

Als grenznahes Unternehmen spielt das angrenzende Ausland sowohl bezüglich Arbeitskräfte wie auch beim Marktpotential eine interessante, aber auch herausfordernde Rolle. Wo sehen Sie aktuell Chancen und Gefahren dieser geografischen Positionierung?

Im Rahmen des europäischen Freizügigkeitsabkommens war es bisher aus Sicht der Schweiz eine Chance, gut ausgebildete Fachkräfte aus dem angrenzenden Ausland rekrutieren zu können. Diese Chance sehe ich vor dem Hintergrund des weiteren Fortgangs im Sinne vertraglicher Vereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU kritisch. Zudem erleben wir z. B. in Deutschland massive Lohnsteigerungen in den letzten Jahren. Diese sind im Zusammenhang mit den im Vergleich zu Schweiz höheren Inflationsraten sicher relativ zu sehen. Doch führt aus meiner Sicht – und dies erlebe ich bereits im persönlichen Umfeld – zu Verlagerungstendenzen in die umgekehrte Richtung.

Im Zusammenhang mit den möglichen Marktpotentialen können wir aufgrund differenzierter Analysen sagen, dass wir diese als gering einschätzen. Aufgrund der der gesetzlichen Regelungen bzgl. der Finanzierung der Gesundheitssysteme sowie der signifikanten Kostenunterschiede bestehen Barrieren, welche zumindest aktuell schwer zu überwinden sind.

 

Was sind die neuen Herausforderungen an Führungspersönlichkeiten vor diesem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen?

Der Führung kommt aus meiner Sicht eine bedeutende Rolle zu, ebenso kann eine klare strategische Ausrichtung helfen. Wir spüren glaube ich alle, wie der Krisenmodus, in dem sich die Welt befindet, auf uns alle wirkt.

Zu meinem Führungsverständnis gehört es, die nötige Ruhe und Sicherheit zu vermitteln und vor allem – sofern noch nicht geschehen – in Teams zu arbeiten und sich auch so zu verstehen. Wir können die vor uns liegenden Herausforderungen nur gemeinsam lösen. Wenn ich in diesen Zeiten von agilen Methoden und Ansätzen höre muss ich sagen, dass dies nicht meine Welt ist. Ein solcher Ansatz mag vielleicht in Techfirmen funktionieren, doch für unsere Branchen, welche traditionell durch ganz andere Werte geprägt ist, sehe ich ihn nicht als zielführend an – weder für die Mitarbeitenden, noch für das jeweilige Unternehmen.