Mit der Einführung der „AVOS“-Initiative (ambulant vor stationär) wurde ein wesentlicher Grundstein für die Ambulantisierung des Schweizer Gesundheitswesens gelegt. Die Auswirkungen dieser wegweisenden Initiative sind nicht nur bei den Krankenzusatzversicherern spürbar, sondern betreffen auch die Leistungserbringer. Unsere letztjährige Umfrage zur Kostentransparenz der Krankenzusatzversicherungen im Schweizer Gesundheitswesen zeigt, dass dreiviertel der Leistungserbringer davon überzeugt sind, dass die Nachfrage nach ambulanten Leistungen in den nächsten Jahren stark ansteigen wird. Mit dem historisch geprägten Fokus auf stationäre Angebote gilt es nun, die neuen Marktchancen im ambulanten Bereich schnell, aber strukturiert zu ergreifen. Für die Umsetzung werden zahlreiche Ressourcen und Kompetenzen benötigt: Zeit, Geld, organisationale Agilität und nicht zuletzt der Wille jedes Einzelnen zur Veränderung.

Die Leistungserbringer sind also gefordert, ihre Angebotsstrategie zu überprüfen und allenfalls anzupassen. Insbesondere für Spitäler, deren Schwerpunkt bislang hauptsächlich auf stationären Behandlungen lag, fällt der Übergang hin zur ambulanten Versorgung häufig nicht leicht. Ein Übergang zu ambulanten Leistungen, deren Vergütung oftmals nicht kostendeckend ist, wirkt sich ausserdem negativ auf den Umsatz der Spitäler und Kliniken aus. Innovative Leistungserbringer, die aktiv zur Weiterentwicklung des ambulanten Angebots beitragen, sind daher mit rückläufigen Umsätzen und mit (zu) tiefen Margen konfrontiert. Trotzdem scheint die Notwendigkeit dieser Entwicklung aber zunehmend ins Bewusstsein der (stationären) Leistungserbringer zu rücken. Denn, wenn diese weiterhin prioritär auf stationäre Leistungen setzen, könnten sie langfristig vom Markt verdrängt werden. Auf der anderen Seite ist die zunehmende Fokussierung auf die weniger lukrative, ambulante Versorgung für viele Neuland und birgt neue unternehmerische Risiken. Offen bleibt ausserdem, wie Leistungserbringer ihre Kosten optimieren können, um mögliche Umsatzeinbussen abzufedern. Steigende Behandlungsvolumina im ambulanten Bereich verschaffen hierbei aber wiederum Zuversicht, dass sich eine Neuausrichtung langfristig lohnen wird.

Ganz entscheidend ist auch die Sicht des Patienten: Will er überhaupt ambulant versorgt werden? Wie steht er der Veränderung gegenüber? Welche Präferenzen und Bedürfnisse hat er? All diese Fragen müssen sich Leistungserbringer bei der Entwicklung neuer Angebotsstrategien stellen, dies ist die Ausgangslage für ein patientenorientiertes Leistungsangebot.

Eine erfolgreiche Ambulantisierung erfordert die Beteiligung und das Engagement aller Involvierten – Leistungserbringer, Versicherer und Staat. Seitens der Politik gilt es Fehlanreize zu überwinden, Innovation und Wettbewerb zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Leistungserbringern erlauben, kostendeckend und patientenorientiert zu wirtschaften. Andererseits liegt es in den Händen der Leistungserbringer, ihr Leistungsangebot weiterzuentwickeln und Brücken zu zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern zu schlagen. Doch welche Rolle nehmen die Krankenzusatzversicherer bei der Ambulantisierung des Gesundheitswesens ein und inwiefern beeinflusst die laufende Entwicklung ihre Angebotsstrategie? Die Perspektive der Versicherer beleuchten wir in unserem nächsten Blogbeitrag.